Rechtsprechung zum Erbrecht

Pflichtteilsberechtigter hat Anspruch auf Wertermittlung auch nach Veräußerung eines Erbgrundstückes

Der BGH entschied mit Urteil vom 29.09.2021, IV ZR 328/20, dass ein Pflichtteilsberechtigter auch einen Anspruch auf Wertermittlung bezogen auf ein zum Nachlass gehörendes Grundstück hat, wenn das betroffene Grundstück bereits veräußert wurde. Der Bundesgerichtshof hat dies aber nur dann angenommen, wenn bereits mehrere unterschiedliche Wertermittlungen vorliegen und damit die Auskünfte über das Erbe kein klares Bild vorgeben. Es würde ansonsten der Nachweis verwehrt oder zumindest erschwert, dass der Veräußerungserlös nicht im tatsächlichen Verkehrswert entsprochen habe.

In dem zu entscheidenden Fall lagen verschiedene Expertisen vor zwischen € 58.000,00 und € 245.000,00 für ein bestimmtes Anwesen. Veräußert wurde das Anwesen tatsächlich für € 65.000,00. Der BGH verwies darauf, dass Sinn des Anspruchs auf Wertermittlung sei, den Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, einzuschätzen, ob sich ein Streit lohne. Dabei müsse die Wertermittlung möglich bleiben, um den tatsächlichen Wert ermitteln zu können. Zudem verwies der BGH darauf, dass kein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter bestellt werden müsse. § 2314 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB würde dies gerade nicht verlangen. Der Sachverständige müsse lediglich unparteiisch sein.

Eigene Meinung: Sofern das Grundstück veräußert ist und der Erbe keinen Anspruch gegen den Erwerber auf Mitwirkung zur Ermittlung des Erbes habe, würde hier ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 1. Alt. BGB vorliegen. Es liegt zwar keine objektive Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 2. Alt. BGB vor. Jedoch kann der Schuldner die Leistung verweigern, sofern dies einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zur Leistung des Gläubigers steht, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Hierzu hat sich der BGH jedoch inconcreto nicht auseinandergesetzt, weshalb dieser Punkt noch zu klären wäre.