Verkehrsrecht

Coronabedingte Reinigungskosten beim Verkehrsunfall

Mittlerweile haben bereits viele Amtsgerichte darüber entschieden, dass coronabedingte Reinigungskosten zu ersetzen sind. Dem hat sich jetzt auch weiterhin das Amtsgericht München mit Urteil vom 06.08.2021, 322 C 7536/21, angeschlossen. Das Gericht verwies darauf, dass es zwar auf die Erforderlichkeit ankäme, nicht aber bei einer konkreten Abrechnung nach tatsächlich durchgeführter Reparatur.

Ebenso entschied das Amtsgericht Köln mit seinem Urteil vom 20.08.2021, 263 C 54/21. Es schätzte jedoch die Kosten für Covid-19-Maßnahmen nach § 287 ZPO auf € 30,00 brutto. Drei Arbeitswerte sowie einmalige Kosten für benötigtes Verbrauchsmaterial in Höhe von gesamt € 7,50 seien hier noch anzusetzen. Der Anteil ist jedoch abzuziehen, der als vorbereitende Tätigkeit dem Schutz der eigenen Mitarbeiter der Werkstatt dient.

Langer Nutzungsausfall bei Verkehrsunfall

Auch ein Nutzungsersatz auf die Dauer von einem Jahr ist möglich. Das Landgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 15.11.2019, 2 O 85/16, dies einem Unfallgeschädigten zugesprochen. Der Vorhalt, ein Interimsfahrzeug bis zur Fertigstellung der Reparatur anzuschaffen, hatte konkret keinen Erfolg, da der Unfallgeschädigte hier keine Möglichkeiten hatte, dies vorzufinanzieren. Auch musste aufgrund der finanziellen Verhältnisse der Geschädigte die Reparatur nicht vorfinanzieren. Dem Unfallgeschädigten ist auch nicht zuzurechnen, dass Teile für das Fahrzeug nicht schnell geliefert werden konnten. Weiter war Hintergrund des Zuspruchs der langen Nutzungsausfalldauer, dass die Reparaturfirma Ihre Leistung von einer Vorschusszahlung abhängig gemacht hat, die die Versicherung nur zögerlich und nur teilweise erbrachte. Nach Abschluss der Reparatur verweigerte die Reparaturfirma die Herausgabe mit Berufung auf das Unternehmerpfandrecht, weil die Forderung nicht vollständig beglichen worden sei. Dies sei rechtens und folglich wegen der verzögerten Zahlung durch die Versicherung.

Wechsel des Fahrstreifens im Kreisverkehr

In einem zweispurigen Kreisverkehr besteht häufiger das Problem, vom inneren Fahrstreifen auf den äußeren zu gelangen, um dann aus dem Kreisverkehr ausfahren zu können. Auch in einem Kreisverkehr gelten die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1, Abs. 3 StVO sowie § 7 Abs. 5 StVO. Insofern darf ein Fahrstreifenwechsel nur erfolgen, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, wobei der Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich mit Fahrtrichtungsanzeigern anzukündigen ist. Einfach ausgedrückt bedeutet dies einfach rechtzeitig blinken. Das Blinken alleine gewährt jedoch hier kein Vorfahrtsrecht. Die Gefährdung anderer muss ausgeschlossen sein. Beim Herausfahren aus dem Kreisverkehr ist ebenfalls rechtzeitig und deutlich zu blinken, wobei auch auf den nachfolgenden Verkehr zu achten ist. Hier ist im Streitfall auch von einem Beweis des ersten Anscheins auszugehen, weshalb einen anderen Sachverhalt derjenige beweisen muss, der sich hierauf beruft.

Dies hat das OLG Hamm mit Urteil vom 04.02.2020, 9 U 90/19, nochmals dargestellt. Neuigkeiten ergeben sich hierdurch nicht.

Ablenkung durch ein achtjähriges Kind im Fahrzeug ist grob fahrlässig

Wie das OLG Frankfurt mit Urteil vom 12.02.2020, 2 U 43/19, entschied, stellt es eine grobe Fahrlässigkeit dar, wenn sich der Fahrer während der Fahrt mit einem Pkw auf der Autobahn in stockendem Verkehr zu einem Kind auf dem rechten Rücksitz umdreht und hier dann auf ein weiteres Fahrzeug auffährt. Ein KV muss die formbefindliche Fahrspur im stockenden Verkehr beobachten, gerade um gefährliche Situationen zu vermeiden.

Insofern ist der Fahrer verpflichtet, der Versicherung den Schaden zu erstatten.

Reparaturkostenerstattung bei Eigenreparatur

Kann ein unfallgeschädigter Gewerbetreibender sein Fahrzeug selbst reparieren, kann auch er die Kosten einer Fremdreparatur ersetzt verlangen. Dies hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 27.02.2019, 2 O 3466/17, entschieden.

Veräußerung des Unfallwagens und Schadenminderungspflicht

Ein Geschädigter, der den Restwert seines beschädigten Fahrzeugs auf Grundlage eines Schadengutachtens mit mindestens drei Restwertangeboten hat ermitteln lassen, kann sich auf dieses Gutachten verlassen und das Fahrzeug zu diesem Preis veräußern. Eine Ausnahme wäre nur gegeben, wenn der Restwert aus damaliger Sicht für den Geschädigten nicht nachvollziehbar wäre. Dies hat das Amtsgericht Bad Hersfeld, Urteil vom 05.12.2019, 10 C 606/19 (20), entschieden.

Fahrzeugwäsche beim Unfall ersatzfähig

Wenn ein Fahrzeug nach einem Unfall lackiert werden muss, sind auch die Kosten der Wäsche ersatzfähig. Dies hat das Amtsgericht Coburg, Urteil vom 28.10.2019, 15 C 1423/19, entschieden.

Einsicht in die Rohmessdaten wird erneut zugesprochen

Im Streit darum, ob die Rohmessdaten, digitale Falldateien der kompletten Messreihe und andere Unterlagen, die sich bei der Verwaltungsbehörde und nicht in den Gerichtsakten befinden, den Betroffenen bzw. seinem Verteidiger zugänglich gemacht werden müssen, hat sich das Landgericht Köln mit Beschluss vom 11.10.2019, 323 Qs 106/19, eingemischt. Dieses hat das Einsichtsrecht aufgrund des Grundsatzes des fairen Verfahrens und des Gebots der Waffengleichheit gem. Art. 20 GG, Art. 6 EMRK, abgeleitet. Aus Art. 6 Abs. 3 BSt a EMRK ergibt sich, dass jede angeklagte Person mindestens das Recht hat, in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden. Diese Verpflichtung richtet sich nicht nur an die Gerichte sondern auch an alle staatlichen Organe, die auf den Gang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens Einfluss nehmen. Auch bei sogenannten standardisierten Messverfahren steht der Anspruch auf Einsicht dem Verteidiger bzw. dem Betroffenen jedenfalls dann zu, wenn ein entsprechendes Herausgabeverlangen gegenüber der Verwaltungsbehörde ebenso erfolglos geblieben ist und ein anschließender Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 62 OWiG. Es gäbe keinen Erfahrungsgrundsatz dahingehend, dass ein standardisiertes Messverfahren unter allen Umständen dessen zuverlässige Ergebnisse liefert (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 19.08.1993, 4 StR 627/92) und zum Anderen hat der Betroffene einen Anspruch darauf, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden (z. B. OLG Karslruhe, Beschluss vom 16.07.2019, 1 Rb 10 Ss 291/19). Bei einem standardisierten Messverfahren kann der Betroffene die Richtigkeit der Messung nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Messung aufzeigen kann. Eine pauschale Behauptung genüge dabei nicht. Deswegen ist ein folglich differenzierter und dezidierter Vortrag dem Betroffenen nur möglich, wenn er oder sein Verteidiger auch Zugang zu den genannten Daten des Messsystems hat und diese mit Hilfe eines Sachverständigen überprüfen kann. Dabei ist es zudem unerheblich, ob bereits konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen oder vom Betroffenen vorgetragen worden sind. Ohne umfassende Kenntnis der zugrundeliegenden Daten ist es der Verteidigung nicht möglich, hier sachgemäß Beweisanträge zu stellen und Beweismittel vorzulegen.

 Es rückt wieder ein Schritt in Richtung Zurverfügungstellung von Daten für die Verteidigung.

 Dem hat sich zuletzt auch das Amtsgericht Gummersbach mit Beschluss vom 20.11.2019, 85 OWi-932 Js 9226/19-269/19, angeschlossen.

Standardisierte Geschwindigkeitsmessung ohne Rohdatenspeicherung

Entgegen der neuen Strömung, nach der ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fernverfahrens anzunehmen ist, wenn keine Rohdaten vorhanden sind, kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Messung mit dem Trafistar S330 gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und des Fernverfahrens nicht vorliegt. Anträge auf Überlassung von digitalen Messdaten seien insofern nur Beweisermittlungsanträge, deren Ablehnung unter Aufklärungsgesichtspunkten gerügt werden könne (wie auch OLG Bamberg NZV 2018, 425; OLG Oldenburg ZfS 2017, 469; OLG Hamm VRR 8/2017, 18; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2018, 156; OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018, 1 OWi 6 SsBs 19/18; entgegen VerfGH Saarland NZV 2018, 275).

Das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 09.12.2019, 202 ObOWi 1955/19) nimmt kein Verwertungsverbot allein deshalb an, weil durch die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit durch ein Messgerät, welches alle Voraussetzungen eines standardisierten  Messverfahrens erfüllt und keine Rohmessdaten aufzeichnet, abspeichert, vorhält oder sonst zugänglich macht. Auch würden Daten nicht unterdrückt. Das bayerische OLG verweist auf OLG Oldenburg, Beschluss vom 09.09.2019, 2 Ss (OWi) 233/19; OLG Köln, Beschluss vom 27.09.2019, 1 RBs 309/19; KG, Beschluss vom 02.10.2019, 162 SS 122/19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.09.2019, 1 Rb 28 Ss 300/19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.11.2019, 2 Rb 35 Ss 808/19; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2019, 1 Ss OWi 81/19; entgegen VerfGH Saarland NJW 2019, 2456.

Zu kritisieren ist daran, dass es unverständlich sei, warum das Gericht meint, es bestünde kein Anspruch darauf, dass belastende Beweise jederzeit und vollständig rekonstruierbar sein müssen. Weiter sei es unverständlich, dass das Gericht es im Rahmen der Herausgabe von Messdaten über unerheblich hält, dass der Betroffene hier über den Antrag nach § 62 OWiG eine Herausgabe der Messdaten versucht hat (so Deutscher, STRR 05/2020, Seite 30).

Haftung eines Kindes im Straßenverkehr

Ein 8-jähriges Kind fuhr mit dem Fahrrad auf einer Uferpromenade entlang. Die Eltern gingen in Ruf- und Sichtweite einige Meter hinter dem Kind. Das Kind blickte längere Zeit zurück und steuerte auf eine Fußgängerin zu, die nicht mehr ausweichen konnte. Die Eltern haben sich bemüht, das Kind durch Rufe zu warnen. Die verletzte Fußgängerin verklagte das Kind und die Eltern. Das Oberlandesgericht Celle verwies dabei in zweiter Instanz darauf, dass nur Kinder unter 7 Jahren nicht für Schäden grundsätzlich verantwortlich sind gem. § 828 Abs. 1 BGB. Bei Kindern zwischen 7 und 10 Jahren sind diese nicht verantwortlich, wenn es sich um einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug, eine Schienenbahn oder eine Schwebebahn handelt. Bei Vorsatz sieht dies anders aus. Dies ergibt sich aus § 828 Abs. 2 BGB.

Ist ein Kind zwischen 7 und 18 Jahre alt, ist es gem. § 828 Abs. 3 BGB für einen Schaden, den es einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn es bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die erforderliche Einsicht hat.

Das Oberlandesgericht Celle musste sich folglich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein 8-jähriges Kind, welches bereits seit dem 5. Lebensjahr regelmäßig auch im Straßenverkehr Fahrrad fährt, bewusst ist, dass es während der Fahrt nach vorne schauen und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Es hat sich daher auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Kind hätte voraussehen können und müssen, dass dies zu Verletzungen bei Fußgängern führt. Das Oberlandesgericht Celle hat das Kind persönlich angehört und ist davon überzeugt, dass dem Kind dies im Unfallzeitpunkt bewusst gewesen sein muss. Folglich hat das Gericht der Verletzten Schadenersatz zugesprochen.

Zur Beachtung: Es ist bei Kindern über 7 Jahren daher immer zu prüfen, ob im konkreten Fall eine Einsichtsfähigkeit für die Handlung und für den dadurch verursachten Schaden gegeben ist. Dies kann und wird bei jedem Kind anders sein. Eine pauschale Zuordnung verbietet sich hier.

Unfallgeschädigter muss Gutachter über Vorschäden aufklären

Bei einem Verkehrsunfall, insbesondere wenn er unverschuldet ist, ist bei Schäden von mehr als € 700,00 ein Gutachter einzuschalten, um die Höhe des Schadens festzustellen. Das OLG Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 05.03.2019, 1 U 84/18, festgestellt und darauf hingewiesen, dass dem Geschädigten die Obliegenheit trifft, den Gutachter über alle Schäden aufzuklären, die nicht zum Unfallereignis gehören. Offenbare Gebrauchsspuren und Schäden, von denen erwartet werden kann, dass der Gutachter diese als nicht unfallbedingt erkennt, bleiben außen vor.

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Schwerhörigkeit

Das Verwaltungsgericht Würzburg musste sich mit Beschluss vom 16.09.2019, W 6 S 19.1103, mit der Frage befassen, wann eine hochgradige Schwerhörigkeit zum Verlust der Fahreignung führt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass bezogen auf beide Ohren ein Hörverlust von 60 % oder mehr vorliegen muss, damit die Fahreignung nicht mehr gegeben ist.  

Wieder einmal Geschwindigkeitsmessung – Einsicht in Gebrauchsanweisung ja – Messdaten eher nein

 Mit der Problematik der Überlassung der Messdaten zur Überprüfung eines Vorwurfs der Geschwindigkeitsüberschreitung hat es sich der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zu befassen. Er traf seine Entscheidung am 15.01.2020 unter dem Aktenzeichen VGH B 19/19.

Hinsichtlich des Rechts auf Einsichtnahme in die Aufbauanleitung des Messgeräts bestünde ein Anspruch auf Einsicht, hergeleitet aus den Rechten auf effektiven Rechtsschutz und dem Recht auf den gesetzlichen Richter. Auch wenn sich die Aufbauanleitung nicht bei den Akten befindet, bestünde sofern ein Recht auf Einsicht. Dies rechtfertige auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Bei Rechtsprechung, die diese Frage nicht einheitlich behandle, sei die Rechtsbeschwerde vielmehr zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und auf den Bußgeld hin eine Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.

Hinsichtlich der Frage, ob beim geltend gemachten Anspruch auf Überlassung der Messdaten entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz jedoch nicht. Der Gedankengang des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes sei nicht zwingend. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren unterscheide sich vom Strafverfahren insbesondere auch dahingehend, dass neben den Rechten des Betroffenen auch die Erfordernisse einer funktionierenden Rechtspflege in den Blick zu nehmen seien. Andererseits solle in dieser Frage erst erneut über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde entschieden werden, bevor hier weitere konkrete Entscheidungen getroffen werden können.

Mehr als 100 km/h innerorts führt auch bei Vorfahrt zur Alleinhaftung

Tatsächlich gibt es Zeitgenossen, die innerorts trotz gesetzlicher Beschränkung auf 50 km/h dennoch mit weit über 100 km/h durch die Stadt rasen. Natürlich haben sie auch unter bestimmten Umständen Vorfahrt. Wenn jedoch sich ein Unfall ereignet, bei dem der Raser Vorfahrt hat, so führt dies dennoch zu einer Alleinhaftung des Rasers, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um mehr als das Doppelte überschreitet. Dies musste das Kammergericht in Berlin mit Urteil vom 22.08.2019, 22 U 33/18, entscheiden. Der Verkehrsverstoß sei so besonders schwerwiegend, dass dieser in der Regel zu einer Alleinhaftung führt.

Tankstellenschwamm verkratzt Motorhaube

Jeder kennt das. An so ziemlich jeder Tankstelle findet sich ein Eimer mit einem Schwamm, der zur Scheibenreinigung dienen soll. Im Bereich des Landgerichts Coburg nutzte ein Autofahrer diesen zur Reinigung der Motorhaube. Diese wurde verkratzt. Das Landgericht Coburg (Urteil vom 15.03.2019, 33 S 70/18) wies die Klage des Fahrzeugbesitzers gegen den Tankstellenbetreiber ab. Der Fahrzeugbesitzer habe dies allein zu verantworten. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Tankstellenbetreibers sei nicht ersichtlich. Zu spekulieren bleibt über den genauen Grund. Es ist anzunehmen, dass über den Zustand des Schwammes, der lediglich aus Höflichkeit zur Verfügung gestellt wird, der nur für die Scheibenreinigung dient oder der Tankstellennutzer hier selbst schauen muss, ob der Schwamm zur Motorhaubenreinigung geeignet ist.

Fahrertür öffnen auf einem Parkplatz

Es kommen immer wieder Unfälle vor, in denen die Fahrertür unachtsam geöffnet wird und sich hier ein Zusammenstoß mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug ergibt. Das LG Saarbrücken (Urteil vom 02.11.2018, 13 S 70/18) musste sich hiermit befassen. Es entschied, dass § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung erfährt. Jedoch muss im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach 1 Abs. 2 StVO der Aussteigende sich vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird. Insofern hat das Gericht entschieden, dass 75 % des Schadens durch denjenigen zu tragen sind, der die Türe geöffnet hat. 25 % hat der Vorbeifahrende zu tragen.

Totalschaden bei Fahrrädern und die 130-%-Rechtsprechung

 Bisher war nicht klar, wie bei einem Totalschaden bei beschädigten Fahrrädern vorzugehen ist, wenn Reparaturkosten sich im Rahmen der 130-%-Grenze ergeben. Das OLG München hat in seinem Urteil vom 18.11.2018, 10 U 1885/18, hierzu nunmehr Stellung genommen. Wenn das Fahrrad repariert wird, sind die Reparaturkoste, wenn diese sich innerhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes bewegen, vom Unfallschädiger zu ersetzen. Eine Rechtsprechung des BGH besteht hierzu noch nicht. Es ist aber zu erwarten, dass der BGH die Entscheidung des OLG München folgen wird. Nicht bekannt ist, ob Revision gegen das Urteil eingelegt wurde.

Haftung bei einem Unfall mit einem Pedelecfahrer

Pedelecs sind aus dem Straßenverkehr nicht mehr wegzudenken. Das OLG Hamm hat mich Beschluss vom 10.04.2018, 7 U 5/18 entschieden, dass ein Pedelec bei dem der Motor ausschließlich unterstützend arbeitet und bei dem die Höchstgeschwindigkeit auf 25 km/h begrenzt ist, verkehrsrechtlich als Fahrrad einzustufen sind. Wer an einem Pedelec insofern vorbeifährt, welches auf einem Seitenstreifen entlangfährt überholt folglich nicht im Sinne von § 5 StVO. Wechselt der langsamere Verkehrsteilnehmer seine Fahrspur wird ein bereits begonnener Überholvorgang auch nicht zu einem Überholen im Sinne von § 5 StVO. Die Pflichten, insbesondere Lichtzeichen zu geben, besteht hierdurch nicht wenn ein älterer Verkehrsteilnehmer plötzlich aus Sorglosigkeit, die nicht altersbedingt ist, ohne Beachtung des nachfolgenden Verkehrs vom Radweg auf die Fahrspur wechselt, führt dies bei einem Unfall nicht dazu, dass bei dem Pkw-Fahrer ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 a StVO vorliegt.

Und es gibt sie doch: Mehrwertsteuer trotz fiktiver Abrechnung beim Unfallschaden

 Wird im Fall eines Verkehrsunfalls eine fiktive Abrechnung gewählt, so kann im Fall einer sach- und fachgerecht durchgeführten Eigenreparatur nicht auf die tatsächlich entstandenen Bruttokosten beschränkt werden. Der Geschädigte kann weiter den Ersatz der Mehrwertsteuer für angekaufte Ersatzteile verlangen (LG Saarbrücken, Urteil vom 07.06.2019, 13 S 50/19).

Wieder einmal: Bei Geschwindigkeitsverstößen besteht Anspruch auf Zurverfügungstellung der gesamten Messdaten

Nunmehr hat sich auch das Landgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 22.05.2019, 5 Qa 51/19, für eine Aushändigung der Messdaten an den Betroffenen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ausgesprochen. Es stellte fest, dass ein Antrag auf Herausgabe der Messdaten einem Antrag auf Akteneinsicht entspreche. Zudem hat es festgestellt, dass der Anspruch dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger auch dann zusteht, wenn sie nicht Bestandteil der Akte sind. Die Verwaltungsbehörde muss daher bereits vor Erlass eines Bußgeldbescheides den Zugang zu Informationen gewähren, die für die Verteidigung von Bedeutung sein können. Das Landgerichts Kaiserslautern stützt sich insbesondere darauf, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird, ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakten und weiteren Daten nach Verurteilung des Betroffenen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann. Es bestünde daher ein Risiko, dass Betroffene keine Möglichkeit haben, mit der Rechtsbeschwerde die Nichtherausgabe der Messdaten und anderer Daten zu rügen. Folglich sei den Betroffenen zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustands die Überprüfung über jedes Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung der Herausgabe der Messdaten im Rahmen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 62 OWG zu gewähren.

Ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der Messdaten, selbst auch wenn sie nicht Bestand der Akte sein sollten, sei aus den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs und fairen Verfahrens zu entnehmen (unter Verweis auf VGH Saarland, Beschluss vom 27.04.2018, Lv 1/18; OLG Celle, Beck RS 2016, 20705; OLG Oldenburg, Beck RS 2015, 12484; KG, Beschluss vom 07.01.2013, 3 Ws(B) 596/12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.01.2018, 2 RB 8SS839/17, Rdn. 13; LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, 1 Qs 46/17; LG Hanna, ZfS 2019, 34). Die Gegenauffassung anderer Gerichte lehnt das Landgerichts Saarbrücken mit der Begründung ab das der Grundsatz des fairen Verfahrens zu einem Gebot der Waffengleichheit führt zwischen Verteidigung und Verfolgungsbehörde. Sinn sei es sich gegen Übergriffe der staatlichen Stellen und anderer Verfahrensbeteiligter angemessen wehren zu können (BVerfGE 38, 111; BVerfGE 133, 168). Verlangt wird zudem, dass der Betroffene, wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen will, im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte darlegen muss, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen. Eine pauschale Behauptung genüge nicht. Folglich ist ein solcher konkreter Vortrag dem Betroffenen nur dann möglich, wenn er oder sein Verteidiger Zugang zu den entsprechenden Messunterlagen des gesamten Messsystems haben und diese durch einen Sachverständigen überprüfen lassen kann. Datenschutzrechtliche Bedenken stünden dem zudem nicht entgegen. Bei Weitergabe an einen Verteidiger besteht auch grundsätzlich keine Gefahr der Weitergabe an Dritte. Der Anspruch geht dabei auf Überlassung von Daten bzw. Unterlagen insbesondere auch auf die Case-List und die Statistikdatei. Diese Dateien können Rückschlüsse zu Qualität und Ausrichtung des Sensors und zur Annullierungsrate des konkreten Messgeräts liefern.

Das LG Konstanz, Beschluss vom 18.09.2018, 4 Qs 57/18 hat zumindest die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Sachverständigen die Daten auszuhändigen, nachdem die Verwaltungsbehörde sich dem widersetzt hat.

Bedienung eines Navigationsgeräts bei 200 km/h

Ein Fahrer eines Mercedes Benz CLS 63 AMG hatte es im Jahr 2015 besonders eilig. Er fuhr mit etwa 200 km/h auf der Autobahn. Selbstverständlich fuhr er auf der linken Spur und bediente dabei das sogenannte Infotainmentsystem, hier das Navigationsgerät. Dabei verursachte er einen Unfall, weil er hierdurch zu sehr abgelenkt war.

Das OLG Nürnberg musste sich nun mit dem Fall befassen. Es stellt in seiner Entscheidung vom 02.05.2019, 13 U 1296/17, fest: Bei extremem Tempo – hier 200 km/h – muss der Verkehrsteilnehmer im besonderen Maße seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten. Dabei führte die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des Infotainmentsystems zum Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Dies hat dann zur Folge, dass in der Kaskoversicherung zumindest ein teilweiser Verlust der Haftungsfreistellung eintritt.

Der Unfallverursacher hatte eingewandt, es sei ein Spurhalteassistent vorhanden gewesen. Das Gericht entgegnete damit, dass das Vorhandensein eines Spurhalteassistenten den Schuldvorwurf bei derartig hohen Geschwindigkeiten nicht reduziert.

Keine Motorradschutzkleidung – kein Mitverschulden

 Ein Fahrer einer Harley Davidson stürzte und verletzte sich insbesondere auch, weil er keine Motorradschutzkleidung getragen hat. Das Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.06.2018, 2-015 118/17, konnte hierin kein Mitverschulden feststellen. Es verwies zwar darauf, dass hier in der Rechtsprechung eine unterschiedliche Handhabung hinsichtlich der Notwendigkeit von Motorradschutzkleidung an den Beinen besteht. Jedoch sei nur das Tragen eines Schutzhelms gem. § 21a Abs. 2 StVO vorgeschrieben, nicht aber andere Kleidung. Ein aus anderen Gründen hergeleitetes allgemeines Verkehrsbewusstsein könne aber nicht alleine aus dem Verletzungsrisiko, dem Kenntnisstand über die verbesserte Sicherheit durch Schutzkleidung oder die Empfehlung von Verbänden hergeleitet werden. Es ginge nicht allein darum, Mitverschulden dann zu bejahen, wenn der Geschädigte objektiv sinnvolle und allgemein zugängliche Schutzmöglichkeiten unterlässt. Insoweit würde ein Verschulden gegen sich selbst zum Maßstab gemacht werden, was aber nicht Gegenstand des Mitverschuldenseinwands im Straßenverkehr gem. §§ 9 StVG, 254 BGB ist.

Abschleppen

Abschleppen bei mobilem Halteverbot erst nach drei Tagen

 Nach einigem Hin und Her in der Rechtsprechung ist nun höchstrichterlich entschieden, nach welcher Zeit ein rechtswidrig im Halteverbot geparktes Fahrzeug bei einem mobilen Halteverbot abgeschleppt werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 24.05.2018, 3 C 25.16) entschied darüber, wann das Fahrzeug einer Urlauberin abgeschleppt werden darf. Diese parkte in Düsseldorf vor dem Nachbarhaus. Dort war das Parken uneingeschränkt gestattet. Wegen eines privaten Umzugs wurden mobile Halteverbotsschilder von der Gemeinde aufgestellt. Bereits am ersten Tag der Gültigkeit des Halteverbotes wurde das Fahrzeug abgeschleppt. Die Stadt wollte Verwaltungsgebühren. Das Abschleppunternehmen gab das Fahrzeug erst gegen Erstattung der Abschleppgebühren heraus. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Rechtsprechung aus dem Jahr 1996, wonach drei volle Tage abgewartet werden müssten. Eine Pflicht, alle 48 Stunden nach dem abgestellten Fahrzeug zu schauen, wäre unzumutbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass zwar 72 Stunden Vorlaufzeit gegeben waren, nicht aber das Halteverbot drei volle Kalendertage im Voraus aufgestellt worden war. Das Abschleppen war daher unrechtmäßig.

Fahren ohne Fahrerlaubnis

Fahren ohne Fahrerlaubnis mit ausländischem Führerschein

 Wer einen ausländischen Führerschein hat, kann trotzdem ohne Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik belangt werden. Ein Unfallverursacher musste dies auch spüren. Er hatte keine deutsche sondern lediglich eine ausländische Fahrerlaubnis. Die Versicherung nahm ihn wegen eines von ihm verursachten Unfalls in Regress und verwies darauf, dass nach den Versicherungsbedingungen der Fahrer eines versicherten Fahrzeugs eine ausländische Fahrerlaubnis nur dann haben dürfe, wenn er auch im Staat wohne, in dem die Fahrerlaubnis ausgestellt wurde. Das Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2017, 19 S 19/17, entschied daher, dass der Versicherte den Schaden seiner Versicherung ersetzen müsse.

Schadenpositionen beim Unfall

Kosten einer Reparaturbestätigung
Das
AG Siegen, Urteil vom 25.07.2016, 14 C 454/16,
hat entschieden, dass der Unfallschädiger und dessen Haftpflichtversicherung verpflichtet sind, auch die Kosten für eine vom Sachverständigenbüro angefertigte Reparaturbestätigung zu ersetzen. Dies sei erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Geschädigte sei insofern der Gefahr ausgesetzt, dass im Fall eines nochmaligen Unfalles dieser mit der Behauptung konfrontiert werden kann, der Vorschaden sei nicht hinreichend repariert worden. Sie sei insbesondere deshalb relevant, da die Versicherungswirtschaft ein Hinweis- und Informationssystem eingerichtet hat, aus dem entsprechende Daten bzw. Vorschäden entnommen werden können.
Zudem ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Nutzungsausfallentschädigung, dass die Reparatur nachgewiesen wird.

Mietwagenkosten und Winterreifen beim Verkehrsunfall
Das
LG Rostock, Urteil vom 26.02.2016, 9 O 286/14,
hat entschieden, dass zusätzliche Kosten für Winterreifen bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs bei einem Unfall nicht ersetzt verlangt werden können, da bei Anmietung eines Fahrzeugs im Winter man erwarten kann, dass man ein ordnungsgemäß der Jahreszeit entsprechend ausgestattetes Fahrzeug erhält und somit keine Extrakosten begleichen muss.

Mietwagen bei Unfall mit Navigationsgerät und Automatik
Das
AG Köln, Urteil vom 29.02.2016, 270 C 146/15,
hat entschieden, dass bei einem Unfall bei Anmietung eines Mietwagens Kosten für die Miete eines Navigationsgeräts und Extrakosten für Automatikfahrzeuge erstattungsfähig sind, wenn die beschädigten Fahrzeuge über Automatikgetriebe bzw. über Navigationsgerät verfügten.

Restwertermittlung beim Verkehrsunfall

Das
AG Schweinfurt, Urteil vom 11.09.2014, 1 C 324/14,
hat entschieden, dass bei Ermittlung des Restwerts durch einen Sachverständigen beim Verkehrsunfall sich der Geschädigte auf den vom Sachverständigen auf dem lokalen Markt ermittelten Restwert verlassen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein konkretes Restwertangebot zu einem höheren Preis vorliegt. Der Geschädigte bleibt gem. § 249 BGB Herr des Restitutionsgeschehens (siehe BGH, Urteil vom 10.07.2007, VII ZR 217/06).

Reinigungskosten bei Reparatur nach Verkehrsunfall

Das
AG Rastatt, Urteil vom 01.03.2016, 16 C 279/15,
hat entschieden, dass Kosten für die Endreinigung eines Fahrzeugs nach Reparatur adäquat kausal durch das Unfallereignis verursacht worden ist. Ein Betrag in Höhe von € 52,50 netto sei auch angemessen.

Nutzungsausfallentschädigung beim Verkehrsunfall

Das
LG Köln, Urteil vom 29.03.2016, 36 O 65/15,
hat entschieden, dass Nutzungsausfallentschädigung bei unfallbedingter Reparatur solange zu leisten ist, wie das Fahrzeug reparaturbedingt nicht zur Verfügung steht. Dabei beginnt die Reparatur mit dem Unfall, wenn das Fahrzeug ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verkehrssicher ist.

Verweisung auf eine freie Werkstatt

Das
AG Hamburg, Urteil vom 03.03.2016, 31b C 136/14,
hat entschieden, dass eine Verweisung auf eine Referenzwerkstatt möglich ist, die sich in 12,3 Kilometer Entfernung vom Wohnort des Geschädigten befindet und dort mühelos zu erreichen ist. Nicht eingewendet werden kann, dass aufgrund der Entfernung zwischen dem Arbeitsort des Geschädigten und der Referenzwerkstatt oder einer möglich schlechten Anbindung der Referenzwerkstatt an öffentliche Nahverkehrsmittel unzumutbar sei.

Das
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.12.2015, 29 C 3336/13 (85),
verweist dabei auch darauf, dass es nicht allein auf die Kilometerzahl ankommt sondern es ist geboten zu berücksichtigen, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, ob ein kostenloser Hol- und Bringservice der Werkstatt existiert. Andererseits ist eine Ersparnis von € 125,55 bei einer Entfernung von 18 Kilometer Entfernung zur Werkstatt für den Geschädigten nicht gerechtfertigt.

Einen fehlenden kostenlosen Hol- und Bringservice beanstandet auch das AG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01.2016, 32 C 3096/14 (72).

Unzumutbarkeit einer Werkstatt, die 23 Kilometer vom Wohnort des Geschädigten entfernt liegt.

Das
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 03.03.2017, 910 C 233/16
hat entschieden, das die Inanspruchnahme einer Verweiswerkstatt dem Geschädigten nicht zumutbar ist, wenn die Entfernung vom Wohnort etwa 23 Kilometer beträgt und die Werkstatt nicht über einen kostenlosen Hol- und Bring-Service verfügt.


Der Sachverständige und der Bagatellschaden

Das
AG Hamburg, Urteil vom 30.03.2016, 33a C 336/15,
hat entschieden, dass ein Geschädigter grundsätzlich das Recht hat, bei Kfz-Unfällen einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Das gilt auch dann, wenn bereits die gegnerische Haftpflichtversicherung einen Sachverständigen beauftragt hat.

Andererseits liegt die Bagatellschadengrenze bei € 750,00. Dies bedeutet, dass bei Reparaturkosten, die unter diesem Betrag liegen, ein Sachverständiger nicht beigezogen werden muss.

Hinweis:
Bei Auffahrunfällen kann zwar grundsätzlich ein Sachverständiger zugezogen werden, es muss aber darauf geachtet werden, dass Kosten für den Sachverständigen nicht ersetzt werden, wenn der Reparaturbetrag darunter liegt. Die Einholung eines Kostenvoranschlags der Werkstatt ist daher in diesen Fällen angezeigt.


Kein Abwarten von Restwertangeboten

Das
LG Gießen, Urteil vom 28.01.2016, 5 O 212/15,
hat entschieden, dass der Geschädigte vor Verkauf seines unfallgeschädigten Fahrzeugs nicht die Restwertangebote des Versicherers abwarten muss. Dabei kann insbesondere auch nicht auf einen Sondermarkt für spezialisierte Restwertaufkäufer verwiesen werden. Vielmehr ist auf den allgemeinen regionalen Markt abzustellen. Insoweit folgt und verweist das LG Gießen auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 1674).

Verkehrsregeln im Straßenverkehr und Haftung

Haftpflichtversicherer zahlen auch bei Türöffnen des Beifahrers
Das
Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015, 13 S 117/15,

hat entschieden, dass der Haftpflichtversicherer grundsätzlich auch die Kosten für einen Unfallschaden übernehmen muss, den der Beifahrer durch unvorsichtiges Öffnen der Beifahrertür verursacht.

Falschparker und Unfall
Das
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.05.2015, 32 C 4486/14 (22),

hat entschieden, dass bei einem Unfall mit einem verbotswidrig abgestellten Fahrzeug auch der Fahrzeugführer sich hier ein Mitverschulden gem. §§ 17 Abs. 1 S. 2 StVG, 244 BGB anrechnen lassen muss. Der Falschparker muss sich seine Betriebsgefahr in Höhe von 25 % anrechnen lassen.

Rückschaupflicht bei Überholvorgang
Das
AG Stockach, Urteil vom 29.01.2016, 1 C 159/15,

hat entschieden, dass Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Überholvorgang das rechtzeitige und deutliche Zeichengeben mit dem Fahrtrichtungsanzeiger sowie die sorgfältige Rückschau sind. Dabei darf ohne rechtzeitiges Zeichengeben niemand ausscheren.
Das AG Stockach hat darauf hingewiesen, dass bei einem Überholvorgang mehrerer Fahrzeuge dasjenige Vorrang hat, das zuerst in korrekterweise dazu ansetzt. Dies muss nicht das zuerst hinter dem überholten Fahrzeug befindliche Fahrzeug sein. Derjenige, der unter Verstoß gegen diese Vorschriften und damit grobverkehrswidrig ausschert, ist für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein zur Zahlung verpflichtet.

Kein Anscheinsbeweis gegen Wendenden bei Auffahren auf das wendende Fahrzeug

Das
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2015, 1 U 46/15,

hat entschieden, dass bei einem Auffahrunfall auf ein wendendes Fahrzeug kein Anscheinsbeweis zu Lasten des Wendenden anzuwenden ist. Die Anwendung des Anscheinsbeweises für ein Verschulden setzt bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat, wobei es sich um Tatbestände handeln muss, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (BGH, Urteil vom 13.12.2011, VI ZR 177/10). Zwar ergeben sich hohe Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO. Da nach dem Schutzbereich des § 9 Abs. 5 StVO der Wendende den Verkehr aus beiden Richtungen vorher vorbeilassen muss, folgt zwangsläufig daraus, dass sich der vorgeschriebene Gefährdungsausschluss auch auf den nachfolgenden Verkehr zu beziehen hat.

Erschütterung des Anscheinsbeweises beim Auffahrunfall

Mittlerweile bekannt ist die Rechtsprechung, wonach derjenige der ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt mit dem Anscheinsbeweis gegen ihn belastet ist. Das OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2018, 7 U 70/17, hat jedoch dargelegt, wenn eine grundlose Vollbremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs mit der nötigen Gewissheit im Sinne von § 285 ZPO zu beweisen ist, der Anscheinsbeweis erschüttert ist.

Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr

Geschwindigkeitsverstoß und Messreihe

Immer wieder kämpfen die Verteidiger bei Bußgeldbescheiden mit der Verwaltungsbehörde, um die gesamte Messreihe zu erhalten, damit diese von einem Sachverständigen überprüft werden kann. Das LG Konstanz musste nunmehr auch in einer Entscheidung vom 18.09.2018, 4 Qs 57/18, eingreifen.

Hier beauftragte sogar das Amtsgericht einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung. Das Amtsgericht gab der Verwaltungsbehörde auf, die Messdaten an den Sachverständigen herauszugeben. Ausnahmsweise legte die Verwaltungsbehörde Beschwerde ein, sie könne ein Einsichtsrecht in die gesamte Messreihe nicht gewährleisten. Diese Recht existiere nicht. Es müsse konkret vorgetragen werden, warum diese benötigt werden und dabei auf Daten Dritter zurückgegriffen werden müsse. Der Sachverständige könne soweit die Einsicht an der Dienststelle nehmen, wobei Behördenmitarbeiter teile der Kennzeichen und andere Daten mit einem Aufkleber abdecken könnten.

Das Landgericht folgte den Einwendungen der Verwaltungsbehörde nicht. Es sei zwar in der Rechtsprechung umstritten, ob ein derartiges Einsichtsrecht bestünde. Das Landgericht Konstanz schloss sich jedenfalls der herrschenden Auffassung an, wonach ein derartiges Einsichtsrecht bestehe. In diesem Fall ging es nicht um die Einsicht des Betroffenen oder Verteidigers, die die Daten an einen Sachverständigen weitergeben sondern um einen vom Gericht bestellten neutralen Sachverständigen. Einsichtsfragen des Betroffenen, insbesondere im Bereich Datenschutz seien hier nicht betroffen. Die Einsichtnahme in den Behördenräumen sei zudem für den Sachverständigen nicht praktikabel.

Das Landgericht Konstanz verweist auch auf verschiedene Entscheidungen wonach das Einsichtsrecht in die komplette Messreihe bestünde:

·       AG Wittlich, Beschluss vom 06.08.2018, 36b OWi 8011 Js 21030/18 jug = Beck RS 2018,18700

·       AG Detmold, Beschluss vom 19.06.2018, 4 OWi 779/18 = Beck RS 2018, 13955

·       AG Neumünster, Beschluss vom 17.05.2018, 224 OWi 109/18 = Beck RS 2018, 13759

·       AG Daun, Beschluss vom 04.04.2018, 4a OWi 28/18 = Beck RS 2018, 5541

·       AG Saarburg, Beschluss vom 01.02.2018, 8 OWi 1/18 = Beck RS 2018,3969

·       LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, 1 Qs 46/17

·       LG Neubrandenburg, Beschluss vom 30.09.2015, 82 Qs 112/15 = Beck RS 2015, 20027

Hauptsächliche Begründung dieser Ansicht ist, dass bei Geschwindigkeitsmessungen mit standardisiertem Messverfahren die physikalisch-technische Bundesanstalt im Wege eines Sachverständigengutachten die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt habe. Der Betroffene müsse daher, wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen wolle, im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte vortragen, die eine Unrichtigkeit der Messung mit sich bringen können. Dies sei jedoch nur dann möglich, wenn der Betroffene bzw. sein Verteidiger auch Einsicht in die entsprechenden Messunterlagen haben. Erst Anhand der Einsicht könnten mögliche Fehler aufgedeckt werden. Rechtsgrundlage hierfür ist der Grundsatz auf ein faires Verfahren.

Dieser Grundsatz des fairen Verfahrens steht auch nicht den datenschutzrechtlichen Aspekten entgegen hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer. Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist höherranging, da es sich um einen geringfügigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter handle und bei Zurverfügungsstellung der gesamten Messreihe zwar Foto und Kennzeichen übermittelt wurden, nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift. Auch haben sich die Verkehrsteilnehmer durch Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr der Beobachtung und Kontrolle ihres Verhaltens durch die Polizei ausgesetzt (hierzu BVerfG NJW 2011, 2783 ff). Die Möglichkeit, vom Sachverständigen erkannt zu werden, ist dabei sehr gering und stellt somit einen äußerst geringen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der anderen Verkehrsteilnehmer dar.

Beeinträchtigung der Messung

LED Lampen schaden Geschwindigkeitsmessung nicht

Immer wieder Gegenstand von Verfahren im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht sind Gegenstände am gemessenen Fahrzeug, die zumindest nach Ansicht desjenigen, der geblitzt wurde, die Messung beeinträchtigt haben können. Beim OLG Karlsruhe wurde nun entschieden, ob LED Leuchten an einem Fahrzeug ein Lichtsensormessgerät vom Typ ES3.0 beeinflussen können. Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 13.11.2018, 2 Rb 8 Ss 621/2018 dies verneint. Die Physikalisch-Technische  Bundesanstalt (PTB) hat hierzu ausführliche Untersuchungen angestellt, die einen derartigen Einfluss nicht erhärteten.

Beschränkung des Fahrverbots bei Geschwindigkeitsverstößen

 Ist man einmal zu schnell gefahren und wurde erwischt, so ist es durchaus möglich, das mit dem Bußgeldbescheid verhängte Fahrverbot zu beschränkten. Dies ist regelmäßig möglich, wenn es andernfalls zu einer Kündigungserklärung durch den Arbeitgeber kommen würde. Das Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 21.11.2017, 729 OWi-264 Js 1751/17, hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Betroffene als Lkw-Fahrer beschäftigt war. Er sah sich der Gefahr der Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesetzt. Das Amtsgericht Dortmund hat ihm auch unter Berücksichtigung von bestehenden Urlaubsansprüchen erlaubt, Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewischt von mehr 7,5 t (Lkw) weiter führen zu dürfen.

Zu beachten galt es jedoch, dass die Schonfrist des § 25 Abs. 2a StVG und bestehende Urlaubsansprüche sowie Möglichkeit von Hotelübernachtungen an wechselnden Einsatzstellen bereits ausgeschöpft sind.


Umfang der Akteneinsicht in Straf- und Ordnungswidrigkeitenangelegenheiten

Das
LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, 1 Qs 46/17,
hat entschieden, dass im Verfahren zur Feststellung eines Geschwindigkeitsverstoßes die Digitalfalldatensätze inkl. unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messserie, die Statistikdatei zur Messserie, die Wartungs- und Instandsetzungsnachweise des Messgeräts seit der letzten Eichung sowie die Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme auf einen von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen sind. Auch vorzulegen ist der „Publickey“ des Messgeräts. Das Recht auf Akteneinsicht umfasst die Einsichtnahme in all diese Daten. Dies gebietet der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit, da sowohl die Verfolgungsbehörde als auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen kann.

Das
AG Gießen, Beschluss vom 01.03.2016, 510 OWi 5/16,

hat entschieden, dass der Anspruch auf Akteneinsicht auch auf Beweismittel, die nicht unmittelbar Aktenbestandteil sind, erstreckt. Nur insofern ist die Gewährung rechtlichen Gehörs als erfüllt anzusehen.

Einsicht in die Lebensakte eines Messgeräts bei Geschwindigkeitsmessung

Das
Amtsgericht Neumarkt i.d. OPf., Beschluss vom 13.05.2017, 35 OWi 702 Js 102324/17,
hat entschieden, dass auf Antrag des Verteidigers hin die Kopie der Lebensakte des Messgeräts dem Gericht zu übersenden sei. Eine genauere Begründung erfolgte jedoch nicht.

Sonstiges

Betrug durch Erlass des Selbstbehalts in der Kaskoversicherung

Das
AG Passau, Urteil vom 05.05.2015, 9 Cs 35 Js 4140/13,
hat entschieden, dass es einen Betrug im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB darstellt, wenn die Werkstatt dem Auftraggeber bei Abwicklung im Rahmen der Kaskoversicherung die Selbstbeteiligung ganz oder zum Teil erlässt.

Dies hat seinen Grund darin, dass wer einen Schaden bei der Versicherung abrechnet, diese über die Schadenhöhe zutreffend informieren muss. Eine Reduzierung des Werklohns muss dabei offenbart werden, da der Versicherungsnehmer dann über die korrekte Werklohnhöhe die Versicherung durch Unterlassen täuscht.

Nicht von Relevanz ist es, wenn auch andere Werkstätten dies so handhaben.

Regulierungsfrist für Unfälle durch die gegnerische Haftpflichtversicherung

Das
LG Zweibrücken, Urteil vom 16.10.2015, 2 U 104/15,

hat entschieden, dass der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners eine Überprüfungsfrist von etwa 3-4 Wochen ab dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens unabhängig von der Möglichkeit des Haftpflichtversicherers in die Ermittlungsakte Einsicht zu nehmen, zusteht.