VG Hamburg erkennt Verkürzung des Genesenenstatus nicht an
1. § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ist voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam, weil die Regelung zum Genesenennachweis aufgrund der darin enthaltenen Bezugnahme auf die vom Robert Koch-Institut jeweils im Internet veröffentlichten Anforderungen wegen ihrer Grundrechtsrelevanz mit dem aus dem Grundgesetz folgenden Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren sein dürfte.
2. Die dynamische Verweisung auf die Homepage des Robert Koch-Instituts begegnet in dieser konkreten Gestaltung bereits grundsätzlichen Bedenken. Sie dürfte jedenfalls gegen das rechtstaatliche Publizitätserfordernis verstoßen, die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung überschreiten und gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen.
Tenor
Durch einstweilige Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 für den Antragsteller nicht gilt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit dem vorliegenden Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz beantragt der Antragsteller wörtlich, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass er bis auf Weiteres als „genesen“ gilt, da die zugrundeliegende Rechtsnorm (§ 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) rechtswidrig ist. Dieser – mit diesem Wortlaut nach Auffassung der Kammer unzulässige – Antrag war nach verständiger Würdigung des Begehrens, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO, unter Berücksichtigung der Antragsbegründung dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die einstweilige negative Feststellung begehrt, dass § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 insoweit für ihn nicht gilt, als sie auf § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der geänderten Fassung vom 14. Januar 2022 verweist. Die Kammer geht davon aus, dass eine derartige einstweilige Feststellung in der hier zu beurteilenden Konstellation dem Anliegen des Antragstellers auch ausreichend Rechnung trägt, da diese im Erfolgsfalle für den Antragsteller die Folge hat, dass er seinen Genesensennachweis, den er aufgrund von § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung in Verbindung mit § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der vorherigen, bis zum 15. Januar 2022 gültigen Fassung seinen Angaben zufolge bereits erhalten hat, im Bundesland Hamburg weiterhin verwenden kann, um als Genesener Ausnahmen von den insoweit auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch in zahlreichen Lebensbereichen nach Maßgabe der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg geltenden Beschränkungen in Anspruch nehmen zu können (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022, AN 18 S 22.00234, abrufbar unter: https://www.vgh.bayern.de/media/vgansbach/presse/22a00234b.pdf). Der so verstandene Antrag ist nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft (vgl. zur Statthaftigkeit eines Feststellungsantrags im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO VG Hamburg, Beschl. v. 13.5.2020, 15 E 1967/29, juris Rn. 19; kritisch aber OVG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2020, 5 Bs 77/20, juris Rn. 13ff.) sowie zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO [hierzu unter a)] und die Subsidiarität des vorläufigen Feststellungsantrags steht dem Feststellungsbegehren nicht entgegen [hierzu unter b)]. Der Antrag ist ferner auch nicht wegen des Normverwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts unzulässig [hierzu unter c)].
a) Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 und die damit verbundene Verkürzung der Geltungsdauer des Genesenennachweises auf drei Monate für ihn nicht gilt. Nach derzeit geltender Rechtslage gewährt der Genesenennachweis als einziges Surrogat zum Impfnachweis Ausnahmen von den bußgeldbewährten Verhaltenspflichten der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg. Diese Vorschriften sind für den Antragsteller erheblich, weil er nachweislich am 28. Oktober 2021, mithin vor ca. dreieinhalb Monaten, mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert war und er über keinen Impfschutz verfügt.
b) Die Subsidiarität des vorläufigen Feststellungantrags gegenüber einem Verpflichtungs- oder Leistungsantrag steht dem Feststellungsbegehren des Antragstellers hier nicht entgegen, da er bereits über einen Genesenennachweis verfügt, der – ohne die Änderung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV – über den xx. Januar 2022 hinaus Gültigkeit bis zum xx. Mai 2022 hätte. Für die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO begehrte Feststellung, dass § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 für den Antragsteller nicht gilt, besteht bei dieser Sachlage auch aufgrund der in Hamburg nicht eröffneten Normenkontrolle im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ein dringendes Bedürfnis (OVG Münster, Beschl. v. 10.6.2016, 4 B 504/16, juris Rn. 11 f.).
c) Das Normverwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Der Antragsteller wendet sich – entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin – nicht gegen ein förmliches Gesetz, sondern gegen § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, mithin gegen zwei Rechtsverordnungen. Untergesetzliche Normen – sowohl des Landes- als auch des Bundesrechts – sind von einer Überprüfung im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens i.S.d. Art. 100 GG jedoch ausgeschlossen.
2. Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller Umstände glaubhaft macht, aufgrund derer er dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen ist [Anordnungsgrund; hierzu unter a)] und aus denen er in der Hauptsache einen Anspruch herleitet [Anordnungsanspruch; hierzu unter b)]. Insoweit hat dieser die behaupteten, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund begründenden Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2003, 2 BvR 311/03, juris Rn. 16; umfassend zum Vorstehenden Schoch, in: ders./Schneider, VwGO, Werkstand: 41. EL Juli 2021, Rn. 58 ff., insb. 93 f. m.w.N.).
Da das Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient und einem Antragsteller hier regelmäßig nicht bereits das gewährt werden soll, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann, kann einem Eilantrag nach § 123 VwGO im Falle einer Vorwegnahme der Hauptsache nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens in der Hauptsache voraus (OVG Hamburg, Beschl. v. 6.7.2018, 3 Bs 97/18, juris Rn. 35 m.w.N.).
Eine solche (endgültige) Vorwegnahme der Hauptsache stellt das Begehren des Antragstellers dar. Die angegriffene Regelung der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg gilt bis zum Ablauf des 26. Februar 2022 (§ 40 Abs. 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO). Darüber hinaus sind erhöhte Maßstäbe hier auch schon deshalb anzulegen, da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden soll, wofür in einem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO auch eine besonders strenge Interessenabwägung vorzunehmen wäre (vgl. zum Maßstab: OVG Münster, Beschl. v. 10.6.2016, 4 B 504/16, juris Rn. 24 ff. m.w.N.). Zwar betrifft der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, anders als Eilanträge im Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO, unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens. Jedoch könnten, wenn § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 gegenüber dem Antragsteller für rechtswidrig erklärt würde, auch andere Bürgerinnen und Bürger Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellen, und es bestünde für die Antragsgegnerin ein erheblicher Druck auf Gleichbehandlung mit der Folge, dass die Bestimmungen des § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 faktisch außer Kraft gesetzt würden. Auch dieser Umstand unterstreicht das Erfordernis hoher Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 18.11.2020, 5 Bs 209/20, juris Rn. 8).
a) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist nach verständiger Würdigung der Antragsbegründung zunächst von einer Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrundes auszugehen.
Der Antragsteller war nachweislich am xx. Oktober 2021 mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert und er hat darüber hinaus mittels eidesstattlicher Versicherung vom 27. Januar 2022 glaubhaft gemacht, nicht gegen das Virus geimpft zu sein. Ferner trägt er vor, seinen Beruf als Unternehmensberater derzeit – mangels gültigen Genesenennachweises – nur noch sehr eingeschränkt ausüben zu können, da Geschäftsreisen zu seinen Mandanten durch die fehlende Übernachtungsmöglichkeit für ihn aktuell nicht mehr praktikabel seien. Auch eine Zusammenarbeit mit seinen Kollegen und der damit zusammenhängende fachliche und projektbezogene Austausch sei stark eingeschränkt. Darüber hinaus seien familiäre Urlaubsreisen ins Ausland durch die bestehenden Quarantänebestimmungen für Einreisen von weder geimpften noch genesenen Personen aus Hochrisikogebieten praktisch für ihn ausgeschlossen.
Zwar gilt § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 lediglich im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg, sodass die begehrte Entscheidung des angerufenen Gerichts keine Auswirkungen auf die vom Antragsteller erstrebten Übernachtungsmöglichkeiten außerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg haben kann. Auch die vom Antragsteller geltend gemachte Absonderungspflicht nach § 4 CoronaEinreiseV basiert nicht auf einer Verordnung der Antragsgegnerin. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass der Antragsteller unter verständiger Würdigung seiner Antragsbegründung einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Nach derzeitig geltender Rechtslage im Bundesland Hamburg ist der Genesennachweis das einzige Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen (wenn auch voraussichtlich ab dem 12. Februar 2022 nicht mehr für den Besuch von Geschäften des Einzelhandels), so etwa für den Besuch von Restaurants, Veranstaltungen oder Sportstätten (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 11).
Auch im Hinblick auf die strengen Anforderungen, die regelmäßig bei einer Vorwegnahme der Hauptsache an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds gestellt werden, besteht ein Anordnungsgrund.
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich vorliegend daraus, dass die Regelung des § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, die die Grundrechte des Antragstellers einschränkt, zunächst nur eine zeitliche Geltung bis zum Ablauf des 26. Februar 2022 hat, weshalb bis zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung in der Hauptsache möglich ist. Der Antragsteller würde dadurch, dass er über keinen gültigen Genesenennachweis verfügt und die in der Verordnung geregelten Ausnahmen infolgedessen für ihn nicht gelten, zahlreichen Grundrechtsbeschränkungen aus der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg unterworfen sein und dadurch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu beseitigende Nachteile erleiden. Denn der Ausschluss von der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben hat für den Einzelnen eine hohe Grundrechtsrelevanz, insbesondere in Bezug auf die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der psychischen Gesundheit und auf die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022, AN 18 S 22.00234; VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, a.a.O. Rn. 11).
b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch mit dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Das Gericht ist nach der gebotenen summarischen Prüfung der Auffassung, dass § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 voraussichtlich verfassungswidrig und somit nichtig ist.
Dabei kann die Kammer offenlassen, ob § 28 c IfSG als Ermächtigungsgrundlage für die genannten Verordnungen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. zur Kritik Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, Ausarbeitung zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Genesenennachweises durch Rechtsverordnung vom 28.1.2022, WD 3 – 3000 – 006/22, S. 4ff.; nachfolgend: „Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag“; Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz, 2. Aufl. 2021, § 28c IfSG Rn. 12). Denn nach der im Rahmen des Eilrechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Gerichts dürfte jedenfalls § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 schon aufgrund ihrer Regelungstechnik verfassungswidrig sein. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV unterliegt in diesem Zusammenhang der Prüfungskompetenz des erkennenden Gerichts, obgleich es sich hierbei um eine bundesrechtliche Verordnung handelt [hierzu unter aa)]. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ist voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam, weil die Vorschrift weder mit dem Rechtsstaats- noch mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren sein dürfte [hierzu unter bb)]. Ob die Regelung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV darüber hinaus rechtswidrig ist, weil die Verkürzung der Gültigkeit des Genesenennachweises auf einen Zeitraum von drei Monaten auf Grundlage der vom Robert Koch-Institut am 3. Februar 2022 veröffentlichten ergänzten wissenschaftlichen Begründung sachlich verfehlt oder unzureichend begründet worden ist sowie – insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Behandlung gegenüber (zweifach) Geimpften – eventuell gegen Art. 3 GG verstoßen könnte, bedarf vor dem Hintergrund der unabhängig davon voraussichtlich bestehenden Verfassungswidrigkeit von § 2 Nr. 5 SchAusnahmV keiner Entscheidung. Insofern ist lediglich anzumerken, dass die offenbar uneinheitliche Beurteilung der relevanten medizinischen Sachverhalte durch verschiedene Experten vor dem Hintergrund der dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber zustehenden Einschätzungsspielräume eine Verfassungswidrigkeit der Verkürzung der Gültigkeit des Genesenennachweises auf einen Zeitraum von drei Monaten für sich genommen jedenfalls nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen dürfte.
aa) § 2 Nr. 5 SchAusnahmV unterliegt der Prüfungskompetenz des erkennenden Gerichts, obgleich es sich hierbei um eine bundesrechtliche Verordnung handelt.
Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Rechtsstreit hierauf ankommt (BVerwG, Urt. v. 28.1.2010, 8 C 19/09, juris Rn. 25). Dies ist hier der Fall, da § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO auf § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verweist, welche die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises regelt. Auf letztere Regelung kommt es im vorliegenden Rechtsstreit entscheidend an, sodass eine richterliche Prüfung hier geboten und – wie ausgeführt – nicht dem bundesverfassungsgerichtlichen konkreten Normenkontrollverfahren gemäß Art. 100 GG vorbehalten ist.
bb) § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 ist nach Auffassung der Kammer voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam, weil die Regelung zum Genesenennachweis aufgrund der darin enthaltenen Bezugnahme auf die vom Robert Koch-Institut jeweils im Internet veröffentlichen Anforderungen in der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung mit dem aus dem Grundgesetz folgenden Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren ist.
Bei dieser Bezugnahme in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts handelt es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung (so auch VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 18; vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 7 m.w.N.). Diese verstößt in der vorliegenden konkreten Ausgestaltung sowohl gegen das Demokratie- als auch gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Die hier vorgenommene dynamische Verweisung begegnet bereits grundsätzlichen Bedenken [hierzu unter (1)]. Sie verstößt jedenfalls gegen das rechtstaatliche Publizitätserfordernis [hierzu unter (2)] und überschreitet die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung [hierzu unter (3)]. Ferner verstößt sie gegen das Bestimmtheitsgebot [hierzu unter (4)].
(1) Die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 geregelte dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts begegnet in diesem konkreten Einzelfall aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz der Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises bereits grundsätzlichen Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, sind Verweise eines Normgebers auf Rechtsvorschriften eines anderen Normgebers zwar nicht in jedem Fall verfassungsrechtlich problematisch. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Normgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften in einer Fassung zu eigen macht, die bei Erlass seines Gesetzgebungsbeschlusses schon galt und die bereits feststand (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, 2 BvL 5/17, juris Rn. 79 m.w.N.). Verweist der Normgeber jedoch auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, a.a.O. Rn. 79). Damit sind dynamische Verweisungen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalten können diesen Rahmen zusätzlich einengen (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2020, a.a.O. Rn. 79; BVerfG, Beschl. v. 25.2.1988, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N.).
Das Bundesverwaltungsgericht führt darauf basierend in ständiger Rechtsprechung aus (BVerwG, Urt. v. 26.3.2015, 5 C 8/14, juris Rn. 25):
„Ein Normgeber [darf] nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen […]. Auch die Verweisung auf Regelwerke, die von nichtstaatlichen Normungsgremien geschaffen wurden, ist nicht generell ausgeschlossen, solange für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar ist, welche Vorschriften für ihn im Einzelnen gelten sollen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 39). Dies darf hingegen nicht in einer Weise geschehen, die dazu führt, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Für die Beantwortung der Frage, ob diese einer dynamischen Verweisung von Verfassung wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 42 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1988 – 2 BvL 26/84 – BverfGE 78, 32 und Urteil vom 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 – BVerfGE 64, 208). Dynamische Verweisungen sind daher grundsätzlich zulässig, wenn der Verweisungsumfang „eng bemessen“ ist. Bei einer engen Bandbreite der zur Überprüfung stehenden Verweisung kann davon ausgegangen werden, dass der verweisende Verordnungsgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, so dass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 44).“
Es begegnet erheblichen Bedenken, ob die dynamische Verweisung in § 2 Abs. 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO i.V.m. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 diesen Anforderungen genügt bzw. ob eine bindende Außenwirkung des dynamisch in Bezug genommenen Regelwerks des Robert Koch-Instituts hier noch eine hinreichende Grundlage im Gesetz findet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.2022, 1 BvR 2649/21, Rn. 14, abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/02/rs20220210_1bvr264921.html). Wie auch das Bundesverfassungsgericht hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, ob ein tragfähiger Sachgrund dafür vorliegt, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- und Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Person im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den Bundesinstituten, dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Robert Koch-Institut, überlassen wird (BVerfG, Beschl. v. 10.2.2022, 1 BvR 2649/21, a.a.O. Rn. 14). Zwar handelt es sich bei dem Robert Koch-Institut nicht um eine nichtstaatliche Stelle. Nach § 4 Abs. 1 IfSG ist das Robert Koch-Institut die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen. Anders als ein Parlament oder eine Regierung ist das Robert Koch-Institut jedoch personell nicht unmittelbar demokratisch vom Volk bzw. vom seinerseits unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament legitimiert. Vor diesem Hintergrund begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Robert Koch-Institut nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nunmehr – anders als in der zuvor geltenden Fassung der Norm – ermächtigt wird, eigenständig und unmittelbar gerade die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises (und nicht nur Nebenfragen etwa der für die Ausstellung benötigten Testnachweise oder ähnliches) zu bestimmen. Nach derzeitig geltender Rechtslage ist der Genesenennachweis als einziges Surrogat zum Impfnachweis Voraussetzung für die Teilnahme des Einzelnen am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen, so etwa für den Besuch von Restaurants, Veranstaltungen oder Sportstätten (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 11). Die Regelung über die Gültigkeit des Genesenennachweises hat mithin eine hohe Grundrechtsrelevanz, weshalb der Verweisungsumfang nach den dargelegten Maßstäben „eng“ zu bemessen wäre. Indem der Verordnungsgeber das Robert Koch-Institut jedoch pauschal zu einer Entscheidung lediglich „unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft“ ermächtigt, dürfte er dieser Grundrechtsrelevanz nicht hinreichend gerecht geworden sein. Insoweit mangelt es insbesondere schon an Vorgaben zu genauen Abwägungs- und Entscheidungskriterien, die die Entscheidung über die Gültigkeitsdauer des Genesenennachweises leiten sollen.
Da der Verweis auf § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 damit eine zentrale, eigenen gesetzgeberischen Wertungen obliegende Bestimmung betrifft, ist der streitgegenständliche Sachverhalt deshalb nach der Überzeugung der Kammer anders zu beurteilen als die vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandete Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (vgl. Beschl. v. 19.11.2021, 1 BvR 728/21 u.a., juris), durch die zur Bestimmung der Erreichung der vom Gesetzgeber selbst festgelegten Schwellenwerte der jeweiligen sog. „Sieben-Tage-Inzidenz“ auf die vom Robert Koch-Institut im Internet unter https://www.rki.de/inzidenzen veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen Bezug genommen wurde. Denn dort betraf der Verweis lediglich isoliert die Frage des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten von Beschränkungen, wobei zuvor durch den Gesetzgeber selbst die wesentlichen Grundentscheidungen getroffen worden waren, namentlich welche Inzidenzwerte für welche Lebensbereiche welche konkreten Einschränkungen zur Folge haben sollten und zudem nach § 28 Abs. 1 Satz 3 die nach Landesrecht zuständigen Behörden verpflichtet waren, in geeigneter Weise die Tage bekannt zu machen, ab denen die jeweiligen Maßnahmen nach § 28b Abs.Satz1 IfSG a.F. in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt gelten würden.
(2) Der Verweis in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Homepage des Robert Koch-Instituts dürfte zudem gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis, das vorliegend auch aus Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, verstoßen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, ergeben sich die folgenden Anforderungen an die Bekanntgabe einer Rechtsnorm (BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, 3 C 21/12, juris Rn. 20):
„Damit das Gebot der Rechtssicherheit gewahrt ist, muss für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar sein, welche Vorschriften im Einzelnen für ihn gelten sollen. Danach muss die Verlautbarung solcher in Bezug genommener Regelungselemente für den Betroffenen zugänglich und ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeignet sein (BVerwG, Urteil vom 29. August 1961 – BVerwG 1 C 14.61 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 9 = DVBl 1962, 137 <138>). Der Betroffene muss sich verlässlich und ohne erhebliche Schwierigkeiten Kenntnis vom Inhalt der Regelungen verschaffen können, auf die Bezug genommen wird; die Möglichkeit der Kenntnisnahme darf also nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorgangs im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht (stRspr; vgl. statt vieler BVerfG, Urteil vom 22. November 1983 –2 BvL 25/81 – a.a.O. S. 291 m.w.N; darauf Bezug nehmend: BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 – BVerwG 4 BN 21.10 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 9). Es richtet sich vielmehr nach dem jeweils einschlägigen Recht, welche Anforderungen an die Verkündung zu stellen sind. Ob die Möglichkeit, sich vom Norminhalt zuverlässig Kenntnis zu verschaffen, durch die Art und Weise der Veröffentlichung unmittelbar erschwert wird, hängt von den jeweiligen Umständen ab, die sich einer Verallgemeinerung über den konkreten Fall hinaus entziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2006 – BVerwG 9 B 6.06 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 4 m.w.N. zur Bekanntmachung von kommunalen Satzungen in einer Zeitung).“
Diesen Anforderungen wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht, weil die Verordnung einen dynamischen Verweis lediglich auf die Homepage des Robert Koch-Instituts enthält. Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass es dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich möglich ist, sich in zumutbarer Weise über die geltenden Vorgaben auf der Homepage des Robert Koch-Instituts zu informieren. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verweist auf einen genauen Link, der ohne erkennbare Hürden aufrufbar ist, sodass eine Möglichkeit zur Einsichtnahme grundsätzlich besteht. Soweit ein Internetzugang kostenpflichtig ist, führt dies nicht zwingend zu einem unzumutbaren Erschwernis des Zugangs (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, 3 C 21/12, juris Rn. 25). Die Kammer sieht eine Möglichkeit der Kenntnisnahme jedoch deshalb als unzumutbar erschwert an, weil eine Verweisung auf eine Internetseite die Folge hat, dass sie sich nahezu sekündlich ändern kann (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.22, 3 B 4/22, juris Rn. 18). Der Rechtsunterworfene ist infolgedessen mit dem Problem konfrontiert, dass er ständig überprüfen muss, ob die Internetseite noch denselben Inhalt hat (vgl, Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 11). Vor dem Hintergrund dieser aufgezeigten schnellen Änderungsmöglichkeit der Internetseite dürfte nach summarischer Prüfung die Möglichkeit der Kenntnisnahme auch deshalb unzumutbar erschwert sein, weil die fachlichen Vorgaben des Robert Koch-Instituts von seiner Homepage nicht erkennbar von einer amtlichen Stelle archivmäßig gesichert werden, so dass nicht gewährleistet ist, dass die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Rechtslage mit Gewissheit nachvollziehbar ist; dies dürfte auch wegen der Bedeutung für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten problematisch sein (Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, a.a.O. S. 11; s. hierzu auch BVerwG, Urt. v. 27.6.2013, a.a.O. Rn. 22).
(3) Der Verweis in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 auf die Homepage des Robert Koch-Instituts verstößt auch gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, weil die in der dynamischen Verweisung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut die gesetzgeberische Ermächtigung aus § 28c IfSG überschreitet.
Eine Rechtsverordnung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG nur, wenn sie sich in den Grenzen der wirksamen (gesetzlichen) Ermächtigung hält; anderenfalls würde Art. 80 Abs. 1 GG unterlaufen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, juris Rn. 209 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 GG können durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, wobei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Mit dieser Vorschrift verwehrt das Grundgesetz dem Parlament sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern und setzt voraus, dass das Parlament im Falle einer Ermächtigung zum Verordnungserlass die Grenzen der Kompetenzen bedenkt sowie diese nach Tendenz und Programm so genau umreißt, dass schon aus der Ermächtigung selbst erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Folglich darf sich das Parlament nicht mit einer Blankoermächtigung an die Exekutive seiner Verantwortung für die Gesetzgebung entledigen und damit selbst entmachten, sondern muss stets Herr der Gesetzgebung bleiben (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 199 m.w.N.). Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG bedarf es sodann zur weiteren Übertragung der Ermächtigung selbst einer Rechtsverordnung. Eine Subdelegation in diesem Sinne liegt jedoch nur dann vor, wenn auch die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung übertragen wird, was nicht der Fall ist, wenn der Verordnungsgeber lediglich ein Tätigwerden Dritter, zum Beispiel auch Privater, ermöglicht oder deren konsultative Einbindung in ein behördliches Verfahren vorsieht (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, a.a.O. Rn. 208).
Diesen Maßstäben wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung, die Bundesregierung, überschreitet die Grenzen seiner Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber, indem er seine Normsetzungsbefugnis durch eine partielle Blankoermächtigung auf das Robert Koch-Institut überträgt. Nach § 28c IfSG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes oder aufgrund von Vorschriften im fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Wenn die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, kann sie zugleich die Landesregierungen ermächtigen, ganz oder teilweise in Bezug auf von den Ländern nach dem fünften Abschnitt dieses Gesetzes erlassene Gebote und Verbote für die in Satz 1 genannten Personen Erleichterungen und Ausnahmen zu regeln. Die Landesregierungen wiederum können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung an andere Stellen übertragen.
Die Regelung in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 überschreitet diese Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist ein Genesenennachweis ein Nachweis in verkörperter und digitaler Form, wenn er den vom Robert Koch-Institut im Internet unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich der Art der Testung und der Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der Infektion vergangen sein muss und der Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Impfung höchstens zurückliegen darf, entspricht.
Die in dieser Regelung enthaltene Subdelegation an das Robert Koch-Institut überschreitet die zitierte Ermächtigungsbefugnis aus § 28c IfSG. Anders als die Landesregierung ist die Bundesregierung, die die Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung erlassen hat, schon nach § 28c IfSG nicht ermächtigt, ihrerseits andere Stellen zu ermächtigen. Dem ausdrücklichen Wortlaut von § 28c IfSG zufolge darf die Bundesregierung ausschließlich die Landesregierungen ermächtigen, weitere Ge- und Verbote zu erlassen. Eine Ermächtigung des Robert Koch-Instituts überschreitet bereits aus diesem Grund die Ermächtigung der Bundesregierung zur Subdelegation (vgl. hierzu auch VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 19). Denn das Robert Koch-Institut kann nach dieser Vorschrift die entscheidenden Kriterien insbesondere in Bezug auf die Geltungsdauer des Genesenennachweises eigenständig und lediglich unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft bestimmen. Zudem dienen die auf dieser Grundlage veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts auch ausschließlich dazu, den Regelungen des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV nachzukommen. Dafür spricht der Wortlaut der Veröffentlichung auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts: „Gemäß Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 weist das RKI aus, welche fachlichen Vorgaben ein Genesenennachweis erfüllen muss“ (vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 10). Dadurch verfügt das Robert Koch-Institut über eine selbständige Entscheidungsmacht über die Anforderungen an einen Genesennachweis gerade bezüglich der grundrechtsrelevanten Frage der Geltungsdauer. Eine lediglich konsultative Einbindung des Robert Koch-Instituts in ein behördliches Verfahren ist vor diesem Hintergrund nicht anzunehmen, da das Institut nicht beratend in einen Entscheidungsprozess eingebunden ist, sondern eine eigene, verbindliche Entscheidung – veröffentlicht auf seine Homepage – trifft.
(4) Die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 enthaltene dynamische Verweisung auf die Internetseite des Robert Koch-Instituts ist auch nicht hinreichend bestimmt und verstößt auch aus diesem Grund gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Das Rechtsstaatsprinzip sowie das daraus abzuleitende Gebot der Normenklarheit setzen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der die Kammer aus eigener Überzeugung folgt, voraus, dass die von einer Regelung Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten vermögen (BVerfG, Beschl. v. 22.6.1977, 1 BvR 799/76, juris Rn. 81 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich dabei mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87, juris Rn. 45). Im Falle einer in einer Rechtsnorm enthaltenen dynamischen Verweisung, wie sie hier streitgegenständlich ist, wird das Bestimmtheitsgebot dann hinreichend berücksichtigt, wenn die verweisende Rechtsnorm klar erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und welche Regelungen zu ihrer Ausfüllung in Betracht kommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.9.2016, 2 BvL 1/15, juris Rn. 44).
Diesen Anforderungen wird § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 unter Berücksichtigung der bereits ausgeführten hohen Grundrechtsrelevanz der Regelung nicht gerecht. Zwar enthält § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 einen genauen Link auf Homepage des Robert Koch-Instituts, sodass die Regelung ohne unzumutbare Hindernisse für den Rechtsanwender grundsätzlich zugänglich ist. Vor dem Hintergrund der dargelegten Anforderungen des Gebots der Normenklarheit ist jedoch problematisch, dass sich der Inhalt der Internetseite des Robert Koch-Instituts ohne großen Aufwand und viel schneller, als ein Rechtsetzungsverfahren möglich ist, verändern lässt. Dies führt dazu, dass der Rechtsanwender ständig überprüfen muss, ob die Internetseite weiterhin denselben Inhalt hat, um über die Rechtslage informiert zu bleiben (VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022, AN 18 S 22.00234; VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, 3 B 4/22, juris Rn. 20; Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 11). Ihm ist es somit nicht jederzeit möglich, die Rechtslage konkret zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten, weil stets die Ungewissheit besteht, ob sich die Rechtslage durch eine kurzfristige Änderung der Bestimmungen auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts verändert hat. Ein Regelungsdruck, der ein solches Vorhaben rechtfertigen und den die Kammer insoweit berücksichtigen könnte, ist nicht ersichtlich. Von einer besonderen Eilbedürftigkeit scheint auch der Gesetzgeber nicht auszugehen, wenn er die Bundesregierung in § 28c Satz 3 IfSG nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum Erlass und zur Änderung der Ausnahmeverordnung ermächtigt (VG Osnabrück, Beschl. v. 4.2.2022, a.a.O. Rn. 20; Wissenschaftliche Dienste/Deutscher Bundestag, S. 12).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Mangels hinreichender Anhaltspunkte für die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses hat die Kammer vorliegend den Auffangwert zugrunde gelegt. Aufgrund der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache sieht die Kammer von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren ab.