Erbrecht: Auslegung einer Gleichzeitigkeitsklausel und einer Katastrophenklausel in einem gemeinschaftlichen Testament

Ehegatten vereinbaren häufig im gemeinschaftlichen Testamenten, was denn erbrechtlich zu geschehen habe, wenn sie gleichzeitig versterben oder im Fall einer Katastrophe, z. B. eines Unfalls, sterben. Dabei ist es notwendig, dass sich der ermittelte gemeinsame Wille beider Testierender zumindest andeutungsweise in diesem Testament, welches die genannten Klauseln enthält, niedergeschlagen hat. Es kann jedoch ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein nicht so allzu weit auseinanderliegender Tod der Ehegatten, der auf einer gemeinsamen Ursache beruht, als gleichzeitig anzusehen ist. Andeutungen in einem späteren Testament reichen jedoch nicht aus, ein eventuell mangels Auslegungsmöglichkeit unwirksames Testament wieder zur Formunwirksamkeit zu bringen, um die Voraussetzungen der Andeutungstheorie zu erfüllen. Die Entscheidung ist dem Beschluss des OLG Schleswig vom 01.02.2023, 3 Wx 29/22, zu entnehmen.  

Pflichtteilsberechtigter hat Anspruch auf Wertermittlung auch nach Veräußerung eines Erbgrundstückes

Der BGH entschied mit Urteil vom 29.09.2021, IV ZR 328/20, dass ein Pflichtteilsberechtigter auch einen Anspruch auf Wertermittlung bezogen auf ein zum Nachlass gehörendes Grundstück hat, wenn das betroffene Grundstück bereits veräußert wurde. Der Bundesgerichtshof hat dies aber nur dann angenommen, wenn bereits mehrere unterschiedliche Wertermittlungen vorliegen und damit die Auskünfte über das Erbe kein klares Bild vorgeben. Es würde ansonsten der Nachweis verwehrt oder zumindest erschwert, dass der Veräußerungserlös nicht im tatsächlichen Verkehrswert entsprochen habe.

In dem zu entscheidenden Fall lagen verschiedene Expertisen vor zwischen € 58.000,00 und € 245.000,00 für ein bestimmtes Anwesen. Veräußert wurde das Anwesen tatsächlich für € 65.000,00. Der BGH verwies darauf, dass Sinn des Anspruchs auf Wertermittlung sei, den Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, einzuschätzen, ob sich ein Streit lohne. Dabei müsse die Wertermittlung möglich bleiben, um den tatsächlichen Wert ermitteln zu können. Zudem verwies der BGH darauf, dass kein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter bestellt werden müsse. § 2314 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BGB würde dies gerade nicht verlangen. Der Sachverständige müsse lediglich unparteiisch sein.

Eigene Meinung: Sofern das Grundstück veräußert ist und der Erbe keinen Anspruch gegen den Erwerber auf Mitwirkung zur Ermittlung des Erbes habe, würde hier ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 1. Alt. BGB vorliegen. Es liegt zwar keine objektive Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 2. Alt. BGB vor. Jedoch kann der Schuldner die Leistung verweigern, sofern dies einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zur Leistung des Gläubigers steht, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Hierzu hat sich der BGH jedoch inconcreto nicht auseinandergesetzt, weshalb dieser Punkt noch zu klären wäre.

Pflichtteilsanspruch und ungewisse Verbindlichkeiten

Es taucht im Rahmen von Pflichtteilsansprüchen immer wieder die Frage auf, wie ungewisse Verbindlichkeiten im Nachlass für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu behandeln sind. Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 14.08.2020, 12 W 173/20, entschieden, dass der Erbe den Betrag zunächst schuldet, der unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit sich als Pflichtteilsanspruch ergeben würde. Das OLG Koblenz verwies dabei auf § 2313 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, bei der Feststellung des Nachlasswertes außer Betracht bleiben und gleiches gem. § 2313 Abs. 2 S. 1 BGB für ungewisse oder unsichere Rechte sowie für zweifelhafte Verbindlichkeiten gilt. Dies gilt auch für Verbindlichkeiten, deren tatsächliche oder wirtschaftliche Verwertbarkeit in Frage stellt. Das Gesetz weist somit die Risikoverteilung eindeutig dem Erben zu. Folge ist lediglich ein Rückforderungsanspruch in Höhe des überzahlten Betrages (§ 2313 Abs. 1 S. 3 BGB). Insoweit weist das Gesetz dem Erblasser das Risiko zu, den Rückforderungsanspruch eventuell tatsächlich nicht durchsetzen zu können.

Trotz Corona Pflicht zum Notar

Das OLG Frankfurt am Main legte mit Beschluss vom 09.07.2020, 10 W 21/20, einen 77-jährigen Pflichtteilsschuldner die Pflicht auf, einen Notartermin zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses wahrzunehmen. Der 77-jährige Pflichtteilsschuldner wollte jedoch jegliche Kontakte mit Dritten vermeiden im Rahmen der Corona-Pandemie. Das OLG Frankfurt am Main verpflichtete ihn jedoch dennoch hierzu, wenn am Amtssitz des Notars unter Einhaltung der gebotenen Schutz- und Hygienemaßnahmen der Termin wahrgenommen werden könne oder der Notar den Pflichtteilsschuldner im eigenen Haus besuchen würde.

„Gemeinsamer Tod“ in einem Testament

Testamente bedürfen immer wieder der Auslegung. Das Kammergericht Berlin musste in einer Entscheidung vom 15.01.2020, 6 W 45/19, auslegen, was den „gemeinsamer Tod“ in einem gemeinschaftlichem Testament bedeutet. Das Gericht stellte auf einen Gegensatz zum Begriff „gleichzeitiger Tod“ ab. Bei letzterem würde auf einen gleichzeitigen oder fast gleichzeitigen Todeszeitpunkt abgestellt. Dies bedeutet, dass ein „gemeinsamer Tod“ nur so verstanden werden kann, dass auf den Zeitpunkt des versterben des länger lebenden Ehegatten abzustellen ist.