Hybride und virtuelle Vereinssitzungen künftig einfacher möglich: Änderung des Vereinsrechts tritt in Kraft

BMJ-Pressemitteilung vom 20.03.2023

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen sind künftig unter einfacheren Voraussetzungen möglich. Eine vorherige Änderung der Vereinssatzung ist dafür nicht mehr erforderlich. Das bewirkt eine Änderung des im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelten Vereinsrechts, die morgen in Kraft tritt. In die Erarbeitung des Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht war das Bundesministerium der Justiz (BMJ) intensiv eingebunden.

Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann erklärt aus diesem Anlass:
„Die Anpassung unseres Rechts an die digitale Wirklichkeit ist eine Mammutaufgabe. Schritt für Schritt setzen wir sie konsequent um. Im letzten Jahr haben wir die virtuelle Hauptversammlung im Aktienrecht eingeführt, außerdem die Online-Beurkundung im Gesellschaftsrecht. Die Erleichterung von hybriden und virtuellen Vereinssitzungen ist ein logischer nächster Schritt. In der Pandemie haben viele Vereine mit diesen Formaten gute Erfahrungen gesammelt – jetzt wollen wir die Abhaltung von hybriden und virtuellen Sitzungen dauerhaft erleichtern. Und ich kann schon heute zusagen: Wir werden die Digitalisierung des Rechts weiter voranbringen. Zum Beispiel werden wir auch im Wohnungseigentumsgesetz virtuelle Versammlungen erleichtern.“

Hybride und virtuelle Vereinssitzungen sind schon nach bisherigem Recht möglich. Allerdings ist dafür in der Regel eine entsprechende Bestimmung in der Vereinssatzung notwendig. Diese Notwendigkeit entfällt mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht.

Für hybride Mitgliederversammlungen – d.h. Versammlungen, an denen die Mitglieder wahlweise durch Präsenz am Versammlungsort oder im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen können – gilt künftig Folgendes: Das Einberufungsorgan des Vereins, in der Regel der Vorstand, kann bestimmen, dass die Mitgliederversammlung als hybride Versammlung durchgeführt wird. Eine Ermächtigung durch die Satzung oder die Vereinsmitglieder ist dafür nicht erforderlich.

Für virtuelle Mitgliederversammlungen – d.h. Versammlungen, an denen die Mitglieder nur im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen können – gilt künftig: Das Einberufungsorgan des Vereins, in der Regel der Vorstand, kann eine Mitgliederversammlung als virtuelle Versammlung einberufen, wenn es dazu ermächtigt wurde. Eine Satzungsermächtigung ist nicht erforderlich. Ausreichend ist ein Beschluss der Mitglieder, der in einer Mitgliederversammlung, aber auch außerhalb der Mitgliederversammlung gefasst werden kann. Durch den Beschluss kann das Einberufungsorgan ermächtigt werden, anzuordnen, dass einzelne oder alle künftigen Mitgliederversammlungen als virtuelle Versammlungen stattfinden können. Der Beschluss bedarf, wenn er in der Mitgliederversammlung gefasst wird, der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BGB). Außerhalb der Mitgliederversammlung kann er mit schriftlicher Zustimmung aller Mitglieder gefasst werden (§ 32 Abs. 2 BGB).

Wenn das Einberufungsorgan eine hybride oder virtuelle Mitgliederversammlung einberuft, entscheidet es auch über die elektronischen Kommunikationswege, auf denen die Teilnahme der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort ermöglicht werden soll.

Die neuen Regelungen über hybride und virtuelle Mitgliederversammlungen sind auch für die Sitzungen des Vorstands anzuwenden, der aus mehreren Personen besteht. Diese können nun immer auch als hybride Sitzungen einberufen werden. Wenn die Vorstandsmitglieder das beschließen, können künftige Vorstandssitzungen auch als virtuelle Sitzungen einberufen werden.

Das Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht geht zurück auf eine Initiative des Bundesrats. Die Bundesregierung hat die Initiative unterstützt. Die letztlich verabschiedete Fassung des Gesetzes wurde maßgeblich im BMJ erarbeitet.

Während der COVID-19-Pandemie gab es eine Sonderregelung im Vereinsrecht. Sie ermöglichte es Vereinen, auch ohne entsprechende Satzungsregelung Mitgliederversammlungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen: § 5 Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG). Die entsprechende Sonderregelung ist zum 31. August 2022 ausgelaufen.

Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts

BMJ Preseveröffentlichung vom 18.04.2023

Bundesjustizminister legt Vorschläge vor

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat heute ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts vorgelegt. Die Vorschläge zielen darauf, die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort im internationalen Wettbewerb weiter zu stärken und das Schiedsverfahrensrecht an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anzupassen.

Hierzu erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann:
Deutschland verfügt über eine hochentwickelte Rechtsordnung und ist Heimat exzellenter Juristinnen und Juristen. Der Streitbeilegungsstandort Deutschland hat deshalb großes Potential. Unser Ziel ist es, ihn zu stärken. Dazu wollen wir sowohl die staatliche Gerichtsbarkeit als auch die Schiedsgerichtsbarkeit noch leistungsfähiger machen. Das Eckpunktepapier zu den Commercial Courts war ein erster wichtiger Schritt. Mit der Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts gehen wir das nächste Vorhaben an.

Das deutsche Recht ist bereits heute schiedsfreundlich, aber Gutes kann immer noch besser werden. Mit unserer Reform werden wir der Digitalisierung Rechnung tragen – sowie den Bedürfnissen nach mehr Transparenz und weniger Formalismus. Das deutsche Schiedsverfahrensrecht ist im 10. Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Es wurde zuletzt vor 25 Jahren umfassend reformiert und ist bereits heute schiedsfreundlich. Mit seiner Fortentwicklung soll das Recht an die voranschreitende Digitalisierung des Verfahrensrechts angepasst werden – sowie an verschiedene Entwicklungen in der internationalen und nationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit.

Die schiedsrechtlichen Reformbestrebungen ergänzen das parallele Rechtsetzungsvorhaben des Bundesministeriums der Justiz zu den Commercial Courts. Durch beide Vorhaben soll der Streitbeilegungsstandort Deutschland insgesamt gestärkt werden: Er soll noch attraktiver werden für die Austragung von Handelsstreitigkeiten – gleichviel ob vor staatlichen Zivilgerichten oder vor nichtstaatlichen Schiedsgerichten.

Folgende maßgebliche Änderungen sind im deutschen Schiedsverfahrensrecht geplant:

I. Formfreiheit für Schiedsvereinbarungen im Wirtschaftsverkehr

Momentan müssen Schiedsvereinbarungen bestimmten Formanforderungen genügen (§ 1031 ZPO). Im Wirtschaftsverkehr soll nun der Abschluss von formfreien Schiedsvereinbarungen ermöglicht werden. Zukünftig werden Schiedsvereinbarungen daher auf jedem denkbaren Weg geschlossen werden können.

II. Stärkung der Transparenz und Förderung der Rechtsfortbildung

In der Handelsschiedsgerichtsbarkeit wird oft um hohe Streitwerte gestritten und um bedeutsame Rechtsfragen gerungen. Vor diesem Hintergrund soll die Entscheidungstransparenz in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit gestärkt und die richterliche Fortentwicklung des Rechts gefördert werden. Hierzu soll die Veröffentlichung von Schiedssprüchen durch das Schiedsgericht gesetzlich gestattet werden, wenn die Parteien mit der Veröffentlichung einverstanden sind.

III. Stärkung der Digitalisierung des Verfahrensrechts

Mit Blick auf die guten praktischen Erfahrungen in den letzten Jahren soll gesetzlich abgesichert werden, dass mündliche Verhandlungen vor Schiedsgerichten ganz oder teilweise im Wege einer zeitgleichen Bild- und Tonübertragung („Videokonferenz“) durchgeführt werden können. So wird die Digitalisierung des Verfahrensrechts weiter gestärkt.

IV. Förderung der englischen Sprache in Verfahren vor staatlichen Gerichten

An ein Schiedsverfahren kann sich ein Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren anschließen, mit dem der Schiedsspruch durch staatliche Gerichte aufgehoben oder für vollstreckbar erklärt wird. Da die englische Sprache in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit von überragender Bedeutung ist, sollen für diese Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren Erleichterungen im Hinblick auf die englische Sprache geschaffen werden: Sowohl der Schiedsspruch als auch andere Schriftstücke aus dem Schiedsverfahren sollen in diesen Verfahrensarten bei Gericht in englischer Sprache vorgelegt werden können. Darüber hinaus sollen in Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren die Commercial Courts in denjenigen Ländern zuständig sein, die diese besonderen Spruchkörper bei den Oberlandesgerichten einführen und diese Verfahren den Commercial Courts zuweisen. Mit dem Einverständnis der Parteien sollen die Verfahren vor den Commercial Courts auch vollständig in englischer Sprache geführt werden können. Staatliche Gerichtsverfahren, die im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren stehen, können auf diese Weise effizienter geführt werden und den Parteien entstehen keine Kosten für umfangreiche Übersetzungen.

Das Eckpunktepapier ist hier abrufbar.
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