Immer wieder kämpfen die
Verteidiger bei Bußgeldbescheiden mit der Verwaltungsbehörde, um die gesamte
Messreihe zu erhalten, damit diese von einem Sachverständigen überprüft werden
kann. Das LG Konstanz musste nunmehr auch in einer
Entscheidung vom 18.09.2018, 4 Qs 57/18, eingreifen.
Hier beauftragte sogar das
Amtsgericht einen Sachverständigen mit der Überprüfung der
Geschwindigkeitsmessung. Das Amtsgericht gab der Verwaltungsbehörde auf, die
Messdaten an den Sachverständigen herauszugeben. Ausnahmsweise legte die
Verwaltungsbehörde Beschwerde ein, sie könne ein Einsichtsrecht in die gesamte
Messreihe nicht gewährleisten. Diese
Recht existiere nicht. Es müsse konkret vorgetragen werden, warum diese
benötigt werden und dabei auf Daten Dritter
zurückgegriffen werden müsse.
Der Sachverständige könne soweit
die Einsicht an der Dienststelle nehmen, wobei Behördenmitarbeiter teile der Kennzeichen und andere Daten
mit einem Aufkleber abdecken könnten.
Das Landgericht folgte den
Einwendungen der Verwaltungsbehörde nicht. Es sei zwar in der Rechtsprechung
umstritten, ob ein derartiges Einsichtsrecht bestünde. Das Landgericht Konstanz
schloss sich jedenfalls der herrschenden Auffassung an, wonach ein derartiges
Einsichtsrecht bestehe. In
diesem Fall ging es nicht um die Einsicht des Betroffenen oder Verteidigers, die die Daten an einen
Sachverständigen weitergeben sondern um einen vom Gericht bestellten neutralen
Sachverständigen. Einsichtsfragen des Betroffenen, insbesondere im Bereich
Datenschutz seien hier nicht betroffen. Die
Einsichtnahme in den Behördenräumen sei zudem für den Sachverständigen nicht
praktikabel.
Das Landgericht Konstanz
verweist auch auf verschiedene Entscheidungen wonach das Einsichtsrecht in die
komplette Messreihe bestünde:
·
AG Wittlich, Beschluss vom
06.08.2018, 36b OWi 8011 Js 21030/18 jug = Beck RS 2018,18700
·
AG Detmold, Beschluss vom
19.06.2018, 4 OWi 779/18 = Beck RS 2018, 13955
· AG Neumünster, Beschluss vom 17.05.2018, 224 OWi 109/18 = Beck RS 2018, 13759
·
AG Daun, Beschluss vom
04.04.2018, 4a OWi 28/18 = Beck RS 2018, 5541
·
AG Saarburg, Beschluss vom
01.02.2018, 8 OWi 1/18 = Beck RS 2018,3969
· LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, 1 Qs 46/17
· LG Neubrandenburg, Beschluss vom 30.09.2015, 82 Qs 112/15 = Beck RS 2015, 20027
Hauptsächliche Begründung
dieser Ansicht ist, dass bei Geschwindigkeitsmessungen mit standardisiertem Messverfahren die
physikalische- technische Bundesanstalt im Wege eines Sachverständigengutachten
die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung
festgestellt habe. Der
Betroffene müsse daher, wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen wolle, im
jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte vortragen, die eine Unrichtigkeit
der Messung mit sich
bringen können. Dies sei jedoch nur dann
möglich, wenn der Betroffene bzw. sein Verteidiger auch Einsicht in die
entsprechenden Messunterlagen haben. Erst
Anhand der Einsicht könnten mögliche Fehler aufgedeckt werden. Rechtsgrundlage
hierfür ist der Grundsatz auf ein faires Verfahren.
Dieser Grundsatz des fairen Verfahrens steht auch nicht den datenschutzrechtlichen Aspekten entgegen hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer. Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist höherranging, da es sich um einen geringfügigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter handle und damit zur Verfügungsstellung der gesamten Messreihe zwar Foto und Kennzeichen übermittelt wurden nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift. Auch haben sich die Verkehrsteilnehmer durch Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr der Beobachtung und Kontrolle ihres Verhaltens durch die Polizei ausgesetzt (hierzu BVerfG NJW 2011, 2783 ff). Die Möglichkeit, vom Sachverständigen erkannt zu werden, ist dabei sehr gering und stellt somit einen äußerst geringen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der anderen Verkehrsteilnehmer dar.